Über Customer Journeys wird zu viel gerätselt und spekuliert

Gepostet von Christoph Spengler am 14.02.2017

SALES MANAGER – FACHZEITSCHRIFT FÜR MARKTORIENTIERTE UNTERNEHMENSFÜHRUNG, 2017/4

Herr Spengler, vor über 10 Jahren gründeten Sie die Accelerom AG. Seither beschäftigen Sie sich tagtäglich mit Touchpoints (Kundenkontaktpunkten) und Customer Journeys (Kundenreisen). Das scheint ein unerschöpfliches Thema zu sein. Um was geht es genau?

Touchpoints und Customer Journeys sind Dreh- und Angelpunkt in der Marktbearbeitung und der betrieblichen Transformationsprozesse. Gleichzeitig sind sie die zentralen Stellhebel für ein herausragendes Kundenerlebnis sowie für eine effiziente und effektive Marktbearbeitung. Unter Marktbearbeitung verstehen wir alle Disziplinen, mit denen der Kunde direkten Kontakt hat. Also Vertrieb, Marketing, Kommunikation und Services.

Es gibt eine regelrechte Inflation an Touchpoints. Mit einer «So-viel-wie-möglich-Strategie» an jedem erdenklichen Kontaktpunkt präsent zu sein, ist jedoch nicht zielführend. Das wissen wir alle. Tatsache ist, dass Unternehmen heute rasch 200 Touchpoints managen. Das ist zu viel und überfordert jede Organisation! Aus diesem Blickwinkel betrachtet, geht es heute noch viel stärker um den Umgang mit Komplexität, Veränderung sowie Investitionssteuerung.

Angesichts der unendlich vielen Möglichkeiten kann man leicht das Gesamtbild aus den Augen verlieren. Wie sieht ein möglicher Lösungsweg aus?

Jeder Entscheider oder Unternehmer will ganz genau wissen, mit welchem Maßnahmen-Mix die Customer Journey am besten abgedeckt und das gesteckte Ziel – mit dem Einsatz möglichst optimaler Mittel – erreicht werden kann. Der Schlüssel liegt in der intelligenten Vernetzung der relevanten Off- und Online-Touchpoints. Präzise Antworten auf die richtigen Fragen bringen Klarheit und führen zur besten Lösung. Voraussetzung ist aber, dass man auf eine aussagekräftige Datengrundlage zurückgreifen kann. Doch über Customer Journeys wird zu viel gemutmaßt, gerätselt und spekuliert – sei es in strategischer, operativer oder auch prozessualer Hinsicht.

Wie kann man mit Touchpoint-Management den Markterfolg konkret steigern?

Um die Effizienz und Effektivität in der Marktbearbeitung allgemein zu erhöhen, sehe ich spontan zwei konkrete Ansatzpunkte, die zwar miteinander in Verbindung stehen, jedoch im Ablauf zu trennen sind. Es sind dies der Reihe nach die Themen «Erfolgssteuerung in der Marktbearbeitung» und ein «Unternehmen-Kunde-Alignment» der unterschiedlichen Fachbereiche in Marktbearbeitung sowie IT.

Was verstehen Sie unter Erfolgssteuerung in der Marktbearbeitung?

Wir wollen doch alle die Wirkung maximieren, Risiken minimieren und die gesteckten Ziele erreichen. Anders gesagt: Es geht um Entscheidungssicherheit. Aufgrund der vielen Möglichkeiten und der Dynamik müssen wir Strategien und Kampagnen noch viel besser gemeinsam über alle unterschiedlichen Fachbereiche steuern. Erfolgssteuerung funktioniert aber nur, wenn möglichst alle Faktoren, die den Erfolg letztlich beeinflussen könnten, berücksichtigt werden. Bei der Erfolgssteuerung von Strategien und Kampagnen in der vernetzten Multi-Cross-Omni-Channel-Welt tappen wir ziemlich im Dunkeln. Wenn ich das so sage, denke ich aus der Kundenperspektive an alle möglichen Off- und Online-Touchpoints, mit welchen ein (potenzieller) Kunde auf seiner individuellen Reise in Berührung kommen kann.

Weshalb soll die Erfolgssteuerung mit konventionellen Methoden nicht möglich sein? Wo hakt es?

Möglich schon, aber es bleibt zu viel auf der Strecke. Nehmen wir beispielsweise die Leadgenerierung, also die Gewinnung von Interessenten für ein Produkt oder eine Dienstleistung. Es fehlt der ganzheitliche Blick aus der Vogelperspektive auf Markt und Kunden über alle Silos in der Marktbearbeitung. Auch mangelt es an Messbarkeit und Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Off- und Online-Touchpoints. So können wir mit konventionellen Methoden nicht genau sagen, wie viele (potenzielle) Kunden wir über die eigene Webseite tatsächlich erreichen und wie relevant diese in ihrer Customer Journey ist. Regelrecht diffus wird es, wenn wir Mixes, also Kombinationen von Touchpoints z.B. für eine Kampagne, beurteilen wollen. Kombinieren wir z.B. eine Online-Werbekampagne, ein Event, ein Anruf eines Außendienstmitarbeiters sowie ein Inserat, wissen wir nicht, wie viele (potenzielle) Kunden mit diesem Mix erreicht werden können. Auch ist es mit den herkömmlichen Methoden unmöglich, zu beurteilen, ob die gewählte Lösung für die Zielgruppenbearbeitung tatsächlich die beste ist. Zu vieles kann zudem erst im Nachhinein gemessen werden. Um es positiv auszudrücken: Hier ist ein großes Erfolgspotenzial vorhanden.

 

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Christoph Spengler

Zu Christoph Spenglers Kernkompetenzen zählen Management, Marketing, Vertrieb und Unternehmensentwicklung. Während fünfzehn Jahren arbeitete Christoph Spengler in verschiedenen Sektoren der Konsumgüter-, Detailhandels- und Finanzbranche. In dieser Zeit eignete er sich seine umfangreiche Erfahrung mit internationalen Unternehmen an. Christoph Spengler begann seine Karriere im klassischen Konsumgütermarketing. Die ersten acht Jahre war er bei der Unilever Schweiz tätig. Dort war er als Business Unit Direktor und Mitglied der Unternehmensführung für den gesamten Schweizer Getränkebereich zuständig. Danach wechselte Christoph Spengler zu McDonald´s, wo er als Mitglied der Geschäftsleitung während vier Jahren der Marketingabteilung vorstand. Sein fundiertes Wissen im Bereich der Unternehmensentwicklung stammt aus seiner Zeit als Direktor bei PricewaterhouseCoopers. Zu seinen Tätigkeiten gehörte unter anderem die Führung diverser internationaler Projekte im Finanz- und Industriesektor.