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Christoph Spengler12.05.23 14:453 min read

Fallstricke auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit

Kundinnen und Kunden, Unternehmen, Behörden: Alle wollen nachhaltig sein. Doch Umsetzungsvorhaben gestalten sich zunehmend schwieriger. Hinzu kommt eine Imageeinbusse oder ein Verlust der Glaubwürdigkeit, wenn die Kundenerwartungen oder selbst gesteckte Ziele nicht erfüllt werden. Was sollten Unternehmen beachten?

Autor: Christoph Spengler

 

 
 

«Wir sind klimaneutral vom Produkt bis zur Werbung» oder gar: «Alles aus 100 Prozent recyceltem Material». Wer kennt solche Auslobungen nicht? Die meisten Unternehmen wollen sich heute für eine nachhaltigere Zukunft einsetzen. So wird mit Hochdruck an allen Ecken und Enden der Wertschöpfungsketten für mehr Nachhaltigkeit gearbeitet – was natürlich sehr begrüssenswert ist.

Ein No-Brainer, könnte man meinen. Doch was sich so einfach anhört, ist ein hartes Stück Arbeit, geprägt von Erfolgen und Rückschlägen.

 

 

Preis versus Nachhaltigkeit

Die Kundschaft hat bezüglich Nachhaltigkeit in den letzten Jahren eine höhere Anspruchs- und Erwartungshaltung entwickelt. So zählt nicht mehr nur, wie ein Produkt aussieht oder ein Service erbracht wird, sondern vor allem, was drin ist und dahintersteckt. Ein vielschichtiges Zusammenspiel unterschiedlichster Einflussfaktoren auf den drei Nachhaltigkeitsdimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales.

Während der Covid-Pandemie erlebten die Biomärkte einen regelrechten Boom. Doch mit dem Ukraine-Krieg hat sich das Blatt in vielen Branchen gewendet. Der Chef der Bio-Kette Alnatura, Götz Rehn, meinte kürzlich in einem Interview: «Der Bio-Markt erlebt gerade den schlimmsten Einbruch seit 35 Jahren.» Offensichtlich können oder wollen sich die Konsumentinnen und Konsumenten die teureren Bio-Produkte in Zeiten von Inflation und Unsicherheit nicht (mehr) leisten.

Zugegeben, beim Thema «Kaufbereitschaft von Bio-Lebensmitteln» spielen gewiss noch andere Faktoren eine gewichtige Rolle. Nichtsdestotrotz wird derzeit unsere Wertewelt ziemlich durchgeschüttelt: Der Preis ist jetzt für viele Konsumentinnen und Konsumenten einfach wichtiger als die Nachhaltigkeit.

 

 

Unternehmen und Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit ist wirklich äusserst komplex, daher möchte ich mich auf das Thema «Papierwerbung» beschränken. In den meisten Fällen sind Handzettel für den Detailhandel wichtige Impulsgeber, lösen Handlung aus, treiben Frequenzen und generieren letztlich Verkäufe – denn die Käuferschaft liebt Aktionen.

Namhafte Händler aus der DACH-Region kündigten vor einigen Monaten an, die gedruckten Prospekte rasch abschaffen zu wollen. Es wurde vorgerechnet, wie viele Tonnen Papier, CO2, Wasser, Millionen an kWh Energie sowie Budgets dadurch eingespart werden können. Passiert ist seither allerdings nur wenig.

Warum? Bei abrupten und einschneidenden Veränderungen im Kommunikationsmix machen Unternehmen seit Jahren häufig die Erfahrung, dass Umsätze plötzlich einbrechen oder Imagewerte absacken. Und das will niemand, insbesondere nicht in der jetzigen Wirtschaftslage.

Im Falle von Papierprospekten spielt neben der Nachhaltigkeit auch die Digitalisierung und das veränderte Informations- und Kaufverhalten eine wichtige Rolle. Unabhängig vom Nachhaltigkeitsgedanken besteht in der Marktkommunikation Handlungsbedarf.

Zudem sind bei der Papierwerbung einige weitere Faktoren mit im Spiel: Die stark gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise haben das Papier stark verteuert. Hinzu kommen Bezugs- und Lieferschwierigkeiten. Kurzum: Viele Händler haben aus ganz praktischen Gründen Flyer, Handzettel und Prospekte verkleinert, Auflagen zusammengestrichen und die Zahl der Verteilungen reduziert.

 

Nach dem "Greenwashing" könnte nun deshalb das "Greenhushing" kommen.

- Christoph Spengler

 

 

Tue Gutes und sprich darüber - oder doch nicht?

Nicht zu unterschätzen sind ganz generell auch die Gefahren von «Overpromising and Underdelivering». Versprechen wecken bekanntlich Erwartungen. Und wenn Versprechen nicht eingehalten werden, dann macht sich rasch Enttäuschung breit, was wir ja alle kennen. Nach dem «Greenswashing» könnte nun deshalb das «Greenhushing» kommen. Unternehmen werden hinsichtlich Nachhaltigkeit immer leiser, das besagt zumindest eine aktuelle DACH-Studie von South Pole. Der Fachbegriff für dieses Verhalten ist «Greenhushing» – das heisst das Verschweigen von Nachhaltigkeitsinitiativen. Für mich persönlich müssen stille Schafferinnen und Schaffer nicht unbedingt die Verlierer sein. Hinsichtlich Markt- und Kundenkommunikation ist ohnehin der allseits bekannte Tipp von Sokrates ganz hilfreich: «Wenn die Geschichte, die du mir erzählen willst, nicht wahr ist, nicht gut ist und nicht notwendig ist, dann vergiss sie.»

 

 

Und jetzt

Wir alle lieben bekanntlich positive Überraschungen. Doch in Sachen Nachhaltigkeit scheinen positive Überraschungen doch eher die Ausnahme zu sein. Umso relevanter ist es für alle Beteiligten, in einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung eine transparente Kommunikation zu forcieren. Diese beinhaltet:

  • Klare Ziele sowie kleine, überschaubare Projektschritte definieren
  • Wirksame Anreize für Kundinnen und Kunden zum Umsteigen auf nachhaltigere Kommunikationsmittel schaffen, zum Beispiel: Wer Papierrechnungen will, muss zahlen
  • Transformationsprozess mit belastbaren Erkenntnissen aus der Markt- und Kommunikationsforschung begleiten
  • Auswirkungen von konkreten Umsetzungslösungen mittels Tests untersuchen und kontinuierlich optimieren.
 
 

 

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Christoph Spengler

Managing Director Accelerom

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