Horizont - Touchpoint Management - Wie das Bahnunternehmen die Customer Journey systematisch bearbeitet - 2019/5
Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) nutzen die Erfolgspotenziale der Digitalisierung gezielt. Zentraler Baustein dazu ist ein Touchpoint-Management, das auf Marktforschungsdaten und Algorithmen beruht, berichtet Gastautor Christoph Spengler, Managing Director von der Accelerom AG.
„Wie sieht die Customer Journey einer konkreten Zielgruppe aus?“, „Mit welchem Massnahmen-Mix kann die Customer Journey einer Zielgruppe effektiv und effizient abgedeckt werden?“ oder „Auf welche Touchpoints soll wie viel Budget alloziert werden?“; Fragen wie diese sind für die Marktbearbeitung eines Unternehmens wie die SBB von hoher Bedeutung. Oft gestaltet es sich jedoch schwierig, präzise Antworten auf solche Fragen zu finden.
Mobilität im Wandel
Neue Angebote, neue Züge, Erweiterungen des Streckennetzes und dichtere Fahrpläne sind die Antwort der SBB auf die steigende Mobilitätsnachfrage. Doch die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ist zwischen Berufs- und Freizeitverkehr ungleichmässig verteilt. Während mehr als die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer mit dem ÖV zur Arbeit fährt, bevorzugen viele Reisende für einen Ausflug am Wochenende das Auto. Aus diesem Grund fördern die SBB konsequent Freizeitreisen mit der Bahn in der Schweiz.
Seit über zehn Jahren gehören die SBB zu den Pionieren eines systematischen Customer-Touchpoint-Managements. Auch in puncto Kundensegmentierung sind die SBB äusserst fortschrittlich. So kann basierend auf diversen Parametern eine Mehrheit der Kunden einem konkreten Kundensegment zugeordnet werden.
Reto Meissner
Leiter Marketing-Kommunikation, SBB PersonenverkehrDie komplexe Welt der SBB
Täglich transportieren die SBB 1.26 Millionen Menschen - etwa 15 Prozent der Schweizer Bevölkerung. Zudem werden im Personenverkehr pro Jahr rund 300 Massnahmen geplant und umgesetzt. Im Weiteren ist die SBB Website eine der meistbesuchten und SBB Mobile eine der meistverbreiteten Apps im Land. Neben dem stark frequentierten Fahrplan finden Reisende dort eine breite Angebotspalette rund um die Themen Reisen und Freizeit.
Doch die SBB weisen weit mehr Touchpoints auf: Das beginnt mit jedem einzelnen Bahnhof und Billettautomaten sowie beim Schalter und Kundenbegleiter im Zug reicht über Werbeplakate, Prospekte und TV-Spots und endet bei der Zugfahrt selbst oder der Durchsage. Manche dieser Touchpoints sind digital, andere analog.
Eine effektive und effiziente Bearbeitung dieser Touchpoints ist – ohne ein valides Messinstrument – eine immense Herausforderung: Der Markt, die digitale Technik und damit auch das Verhalten der SBB-Kunden verändern sich laufend. Unter diesem Gesichtspunkt hinterfragt das interdisziplinäre Marketing-Führungsteam im Personenverkehr der SBB regelmässig und systematisch die Strategien und Kampagnen – zwecks einer möglichst effektiven und effizienten Ausgestaltung des Touchpoint-Managements.
Die SBB haben sich aus diesem Grund für eine quantitative Marktanalyse entschieden. Im Kontext dieser Untersuchung haben (potentielle) Kunden beurteilt, wann für sie welche Touchpoints relevant sind. Durch diese konsequente und wissenschaftliche Aussenperspektive konnten die SBB feststellen, mit welchen Touchpoint-Kombinationen ihre definierten Ziele am besten erreicht werden können. Dabei galt es zu beachten, dass die Customer Journey nicht geradlinig und in der Regel auch nicht ausschliesslich digital oder analog verläuft. Eine Reduktion auf Werbung zum Beispiel hätte zur Folge, dass relevante Touchpoints, etwa die Betreuung durch SBB-Mitarbeitende oder Informationstafeln, nicht berücksichtigt würden.
Markus Kalt
Projektleiter Marketing, SBB PersonenverkehrDamit die erwähnte Kundenorientierung keine Worthülse blieb, mussten die Erkenntnisse aus den gewonnenen Daten bei den Mitarbeitenden verankert werden. Dazu wurden rund 120 Marketing-Mitarbeitenden im Rahmen von Trainings die gewonnenen Erkenntnisse sowie konkrete Umsetzungsstrategien vorgestellt – damit sie auch einen direkten Nutzen für ihre Arbeit ziehen können. Denn Erkenntnisse über die wichtigsten analogen und digitalen Touchpoints ermöglichen den SBB, den Kunden das Reisen zu erleichtern, die Kundenzufriedenheit zu steigern und damit die Kunden für weitere Reisen zu gewinnen. Dank der algorithmusbasierten Lösung können die SBB nun noch besser für jedes Kundensegment den richtigen Inhalt am richtigen Ort kommunizieren. Streuverluste lassen sich so minimieren, und die Effizienz in der Marktbearbeitung kann gesteigert werden.
Dieser Beitrag wurde im Horizont veröffentlicht.
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Christoph Spengler
Zu Christoph Spenglers Kernkompetenzen zählen Management, Marketing, Vertrieb und Unternehmensentwicklung. Während fünfzehn Jahren arbeitete Christoph Spengler in verschiedenen Sektoren der Konsumgüter-, Detailhandels- und Finanzbranche. In dieser Zeit eignete er sich seine umfangreiche Erfahrung mit internationalen Unternehmen an. Christoph Spengler begann seine Karriere im klassischen Konsumgütermarketing. Die ersten acht Jahre war er bei der Unilever Schweiz tätig. Dort war er als Business Unit Direktor und Mitglied der Unternehmensführung für den gesamten Schweizer Getränkebereich zuständig. Danach wechselte Christoph Spengler zu McDonald´s, wo er als Mitglied der Geschäftsleitung während vier Jahren der Marketingabteilung vorstand. Sein fundiertes Wissen im Bereich der Unternehmensentwicklung stammt aus seiner Zeit als Direktor bei PricewaterhouseCoopers. Zu seinen Tätigkeiten gehörte unter anderem die Führung diverser internationaler Projekte im Finanz- und Industriesektor.