Werbewoche - für Köpfe in der Kommunikation, 2017/3
Marktsegmentierung ist ein vermeintlicher alter Hut des Marketings. Heutzutage stehen oft ganz andere Sachen im Vordergrund wie «die Customer Journeys durchgängig managen», «Customer Experience an allen Touchpoints stärken», etc. Was dabei oft vergessen geht, ist, dass es DIE eine Customer Journey gar nicht gibt und, dass auch die zentralsten Touchpoints nicht für jeden (gleich) wichtig sind. Oder noch schlimmer: Diese Erkenntnis wird bewusst ausgeblendet, da sie trotz Marketing Automation einfach nicht durchgehend (on- und offline) steuerbar erscheint. Die Lösung ist eine Unterteilung des Marktes, die diese Unterschiede mitberücksichtigt und somit handhabbar macht.
«Fragt man zehn Verkäufer und Aussendienstmitarbeiter nach ihrem typischen Kunden, erhält man zehn verschiedene Antworten», so das Fazit einer MarCom-Leiterin nach einem gescheiterten Versuch Personas aus der Betriebssicht heraus zu definieren. Der Grund dafür ist, dass die meisten Menschen in einer sozialen Blase leben und allzu schnell von sich auf andere schliessen. Egal ob mit Personas oder Zielgruppen gearbeitet wird – entscheidend ist eine valide, objektive Datengrundlage für die gefällten Unterteilungen.
Was macht eine gute Segmentierung aus? Das Generationenmodell hat klar ausgedient: Der 60-jährige ETH-Professor hat heute in den allermeisten Fällen mehr mit seinen 40 Jahre jüngeren Studenten gemeinsam als mit seinem früheren Kindergartenkumpel, dem Malermeister. Immer wichtiger wird es nach Lebenswelten (ein neutraleres Synonym für «soziale Blase») zu segmentieren. Lebenswelten setzen sich zusammen aus Werten, aber auch aus dem Informations- und Nutzungsverhalten. Gerade diese sind von Produktkategorie zu Produktkategorie sehr unterschiedlich. Das Informations- und Nutzungsverhalten in Bezug auf die Anschaffung eines Produktes ist nichts anderes als die Customer Journey. Die Customer Journey zeigt auf, welche Touchpoints in welcher Phase (z.B. Awareness vs. Purchase) genutzt werden bzw. welche Relevanz sie in den jeweiligen Phasen besitzen.
Eine Einteilung von Kunden in Zielgruppen oder Personas ohne Berücksichtigung ihrer Customer Journey und den Touchpoints, die sie nutzen, kann offensichtlich immer nur die halbe Geschichte erzählen: das angestrebte Kundenverständnis bleibt so zwangsläufig auf der Strecke. Touchpoints, Customer Journeys und Zielgruppen gehören untrennbar zusammen und für eine erfolgreiche Marktbearbeitung müssen Strategien konsequent an diesen drei Elementen ausgerichtet werden.
Das positive daran ist: Das Leben für Marketeers wird auf einmal verblüffend einfach, wenn solche klar definierten Zielgruppen existieren, die innerhalb der Zielgruppe die gleichen Werte und Ansprüche an das Produkt haben, und noch dazu hohe Übereistimmungen in ihren Customer Journeys aufweisen. Dies beantwortet die zentralen Fragen nach wo (über welche Touchpoints) und wie (über welchen Content) die jeweilige Zielgruppe erreicht werden kann. So kann man sich voll und ganz auf die stimmige Ausgestaltung der Touchpoints konzentrieren.
Bianca Oehl
Bianca Oehl studied political science and economics at the Universities of Zurich, Geneva and Hamburg, and graduated with a PhD in political science from ETH Zurich. Her thesis covered, among other topics, how the published opinions in newspapers influence national policy-making, and how this compares between countries. As a researcher and lecturer she further focused on the interplay between politics and the economy, empirical methods of social research, and applied statistics. She also has practical experience in the hotel industry, association and event management, and journalism.